Die Lufthansa-Gruppe steht vor einer schwierigen Entscheidung: Wegen steigender Steuern, Gebühren und sinkender Passagierzahlen erwägt der Konzern, bis zu 100 innerdeutsche Flugverbindungen zu streichen. Vorstandschef Carsten Spohr erklärte gegenüber der „Welt am Sonntag“, dass der Flugbetrieb auf vielen Strecken innerhalb Deutschlands nicht mehr rentabel sei, die eu-baustoffhandel.de berichtet.
Besonders betroffen seien Verbindungen von München nach Münster/Osnabrück oder nach Dresden. „Wir fliegen auf diesen Strecken jeden Tag defizitär“, so Spohr. Die Lage spitze sich zu, da die Standortkosten seit 2019 nahezu verdoppelt wurden.
Wirtschaftlicher Druck auf den innerdeutschen Markt
Der innerdeutsche Luftverkehr hat in den letzten Jahren massiv an Bedeutung verloren. Nach der Corona-Pandemie blieben viele Geschäftsreisende aus, und zahlreiche Unternehmen setzen inzwischen dauerhaft auf Videokonferenzen. Hinzu kommt, dass die Deutsche Bahn auf wichtigen Strecken wie Berlin–München oder Frankfurt–Hamburg attraktive Alternativen bietet. Laut Spohr ist es für Lufthansa immer schwieriger, die steigenden Kosten mit den Ticketpreisen auszugleichen, ohne Kunden zu verlieren. Besonders Flughäfen mit hohen Standortgebühren wie München oder Frankfurt belasten das Unternehmen zusätzlich.
Bis zu 100 Flüge pro Woche betroffen
Nach Informationen aus Unternehmenskreisen könnten rund 100 Flüge pro Woche innerhalb Deutschlands gestrichen werden. Das betrifft vor allem Kurzstrecken, die ohnehin geringe Auslastung und hohe Betriebskosten aufweisen. Die betroffenen Verbindungen sollen im Sommerflugplan 2026 nicht mehr angeboten werden. Ziel sei es, den Fokus stärker auf internationale Strecken und profitable Langstreckenflüge zu legen. Dennoch betont die Lufthansa-Führung, dass es keine komplette Aufgabe des innerdeutschen Marktes geben werde. Vielmehr solle das Angebot „effizienter und umweltfreundlicher“ gestaltet werden.
Die Diskussion über steigende Abgaben betrifft nicht nur Lufthansa, sondern die gesamte Branche. Seit der Einführung neuer Umweltabgaben und erhöhter Luftverkehrssteuer 2023 klagen Airlines über ungleiche Wettbewerbsbedingungen gegenüber Bahn und Fernbus. Spohr kritisiert, dass Deutschland mit seiner Steuerpolitik den Luftverkehr schwäche, während Nachbarländer wie die Niederlande oder Österreich gezielt auf Entlastungen setzen. „Ohne eine Reduzierung der Standortbelastungen werden weitere Streichungen unvermeidbar sein“, warnte der Konzernchef.
Nachfrage bleibt unter dem Niveau vor Corona
Während internationale Strecken sich inzwischen weitgehend erholt haben, bleiben die Passagierzahlen auf Inlandsflügen deutlich niedriger als 2019. Laut dem Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft liegt das Volumen derzeit nur bei rund 60 Prozent des Vorkrisenniveaus. Besonders der Geschäftsreiseverkehr hat sich stark verändert: viele Unternehmen bevorzugen digitale Meetings und Nachhaltigkeitsstrategien, die Flugreisen vermeiden. Auch Privatkunden greifen zunehmend auf die Bahn zurück, insbesondere auf Verbindungen, die weniger als vier Stunden dauern.
Parallel zu den geplanten Flugstreichungen prüft Lufthansa auch einen Stellenabbau in der Verwaltung. Medienberichten zufolge könnten bis zu 4.000 Arbeitsplätze betroffen sein. Das Ziel sei, den Konzern schlanker und effizienter zu machen, um auf den globalen Wettbewerb besser reagieren zu können. Spohr betont jedoch, dass operative Bereiche wie Cockpit und Kabine vorerst nicht von Kürzungen betroffen seien. Die Einschnitte sollen sich vor allem auf Management- und Supportfunktionen konzentrieren.
Zukunft des innerdeutschen Flugverkehrs
Die Lufthansa sieht ihre Zukunft vor allem in der internationalen Expansion und in nachhaltigen Technologien. Investitionen in moderne, treibstoffsparende Flugzeuge sowie Partnerschaften mit Herstellern von synthetischem Kerosin sollen helfen, langfristig klimaneutral zu werden. Gleichzeitig appelliert Spohr an die Politik, den Standort Deutschland als Luftverkehrsdrehkreuz zu stärken und nicht durch zusätzliche Abgaben zu schwächen. Ob die angekündigten Kürzungen tatsächlich umgesetzt werden, soll in den kommenden Monaten entschieden werden, wenn der Sommerflugplan 2026 finalisiert wird.
