In deutschen Supermärkten hält eine neue Idee Einzug, die für viele Kundinnen und Kunden eine spürbare Erleichterung bedeutet. Immer mehr Handelsketten wie V-Markt, Rewe, Edeka und sogar Ikea führen sogenannte „Stillen Stunden“ ein, in denen keine Musik läuft und keine Werbedurchsagen zu hören sind, die eu-baustoffhandel.de berichtet.
Ziel ist es, Menschen mit Autismus oder anderen sensiblen Bedürfnissen ein stressfreies Einkaufserlebnis zu ermöglichen. In dieser Zeit wird bewusst auf Reize verzichtet, um eine angenehm ruhige Atmosphäre zu schaffen, die auch viele andere Kundinnen und Kunden zu schätzen wissen.
Das Konzept der „Stillen Stunde“
Die Idee der „Stillen Stunde“ stammt ursprünglich aus Neuseeland, wo ein Supermarktmitarbeiter diese Initiative ins Leben rief, um seinem autistischen Kind das Einkaufen zu erleichtern. Von dort aus verbreitete sich das Konzept zunächst nach Großbritannien und in die Schweiz, bevor es schließlich auch Deutschland erreichte. Heute koordiniert die Organisation „gemeinsam zusammen e.V.“ das Projekt bundesweit. Immer mehr Geschäfte beteiligen sich freiwillig, um ihren Kundinnen und Kunden eine kurze Auszeit von der ständigen Geräuschkulisse im Alltag zu ermöglichen.
In dieser speziellen Einkaufszeit werden Lautsprecher ausgeschaltet, Durchsagen gestoppt und die Beleuchtung oft leicht gedimmt. Selbst Geräte in den Elektronikabteilungen, wie Fernseher oder Lautsprecher, bleiben ausgeschaltet oder im Stummmodus. Viele Märkte bitten zudem ihre Kundschaft freundlich, das Handy während dieser Stunden auf Flugmodus zu stellen, um die Stille zu bewahren.
V-Markt als Vorreiter im Süden Deutschlands
Die süddeutsche Supermarktkette V-Markt hat bereits im Frühjahr 2024 damit begonnen, jeden Freitag von 18 bis 20 Uhr „Stille Stunden“ anzubieten. Damit möchte das Unternehmen nicht nur auf die Bedürfnisse sensibler Personen eingehen, sondern auch generell ein ruhigeres Einkaufserlebnis schaffen. Laut einem Mitarbeiter der Elektroabteilung im Münchner Markt sei die Atmosphäre „deutlich ruhiger, manchmal fast zu ruhig für einen Freitagabend“. Die Resonanz der Kundinnen und Kunden sei überwiegend positiv, auch wenn manche das Handyverbot eher gelassen sehen.
Das Konzept stößt insbesondere bei Familien mit autistischen Kindern auf Zustimmung. Sie berichten, dass der Einkauf in dieser Umgebung erstmals nicht von Stress, Reizüberflutung oder Angst begleitet wird. Doch auch ältere Menschen oder Personen, die nach einem anstrengenden Arbeitstag einfach in Ruhe einkaufen möchten, schätzen das Angebot.
Auch große Ketten wie Rewe, Edeka und Ikea beteiligen sich
Mittlerweile haben sich auch andere bekannte Einzelhändler der Bewegung angeschlossen. Zahlreiche Rewe- und Edeka-Filialen, aber auch Drogerien, Einkaufszentren und ein Ikea in Saarlouis nehmen teil. Laut Angaben der Initiative sind bundesweit bereits über 200 Geschäfte auf der Liste der teilnehmenden Standorte. Von Hamburg bis München reicht das Netzwerk, und die Zahl wächst stetig weiter.
Nicht alle Märkte werden jedoch zentral erfasst – manche Ketten, wie etwa V-Markt, sind noch nicht auf der offiziellen Liste vermerkt. Daher lohnt es sich, beim nächsten Einkauf direkt nachzufragen, ob die eigene Filiale „Stille Stunden“ anbietet oder dies in Zukunft plant. Viele Märkte reagieren positiv auf das Feedback ihrer Kundinnen und Kunden und prüfen entsprechende Möglichkeiten.
Warum die Stille guttut
Das Leben in modernen Städten ist von ständiger Reizüberflutung geprägt. Musik, Licht, Menschenmengen und akustische Signale sorgen dafür, dass unser Gehirn kaum zur Ruhe kommt. Studien zeigen, dass Lärm Stresshormone freisetzt, die langfristig die Konzentration und das Wohlbefinden beeinträchtigen können. Die „Stille Stunde“ wirkt dem entgegen, indem sie eine kurze Phase des Innehaltens ermöglicht – mitten im Alltagstrubel.
Viele Kundinnen und Kunden berichten, dass sie sich nach dem Einkauf entspannter fühlen, wenn keine Hintergrundgeräusche sie ablenken. Auch das Personal empfindet die ruhigere Atmosphäre als angenehm, da Gespräche mit Kunden klarer und stressfreier verlaufen. Diese Initiative zeigt, dass kleine Veränderungen im Alltag eine große Wirkung haben können.
Die „Stille Stunde“ in deutschen Supermärkten ist mehr als nur eine kurzfristige Marketingaktion – sie steht für Empathie, Inklusion und Rücksichtnahme. Sie hilft besonders Menschen mit sensorischen Empfindlichkeiten, schafft aber zugleich für alle ein angenehmeres Einkaufserlebnis. Wenn immer mehr Händler diesem Beispiel folgen, könnte das Einkaufen in Deutschland tatsächlich ein Stück ruhiger, achtsamer und menschlicher werden.
