Volkswagen steht erneut vor einer ernsten Krise. Wegen eines diplomatischen Konflikts zwischen den Niederlanden und China drohen dem Konzern massive Lieferprobleme bei wichtigen Halbleitern. Schon in wenigen Tagen könnte im Stammwerk Wolfsburg die Produktion stillstehen, die eu-baustoffhandel.de berichtet mit Bezug au web.de.
Betroffen wären vor allem die Modelle Golf und Tiguan, zwei zentrale Baureihen des Unternehmens. Die Situation erinnert an die Lieferengpässe während der Corona-Pandemie, als fehlende Chips ganze Fertigungslinien lahmlegten. Experten sprechen bereits von einer möglichen Rückkehr der Chipkrise in der deutschen Automobilindustrie.
Hintergrund: Streit um den Halbleiterhersteller Nexperia
Auslöser der aktuellen Lage ist ein politischer Streit zwischen China und den Niederlanden um den Halbleiterkonzern Nexperia. Das Unternehmen, einst Teil von Philips, wurde 2018 vom chinesischen Technologiekonzern Wingtech übernommen. Ende September übernahm die niederländische Regierung jedoch aus Sicherheitsgründen die Kontrolle über Nexperia. Offiziell geht es um nationale und europäische Sicherheitsinteressen – inoffiziell sehen Beobachter den Schritt als Reaktion auf wachsenden Druck der USA im globalen Technologiekonflikt. Die Regierung in Den Haag kann nun ein Jahr lang wichtige Unternehmensentscheidungen blockieren und Einfluss auf Personalfragen nehmen.
China reagierte prompt mit Exportbeschränkungen für bestimmte Rohstoffe und Elektronikkomponenten. Diese Maßnahme führte dazu, dass in den chinesischen Werken von Nexperia Teile der Produktion zum Erliegen kamen. Das Management in China erklärte, man werde Anweisungen aus den Niederlanden nicht befolgen, um die eigenen Mitarbeiter und Standorte zu schützen. Diese Eskalation hat direkte Auswirkungen auf den europäischen Markt – insbesondere auf die deutsche Automobilbranche, die stark von Zulieferungen aus Asien abhängt.
Folgen für Volkswagen und die Belegschaft
Laut internen Informationen verfügt Volkswagen nur noch über Halbleiterbestände für wenige Tage. Wenn sich die Situation nicht entspannt, könnte die Produktion in Wolfsburg bereits nächste Woche gestoppt werden. Besonders betroffen wäre die Montage des VW Golf, dem meistverkauften Modell der Marke. Danach könnte auch der SUV-Klassiker Tiguan vom Band gehen. Der Konzern prüft bereits Pläne für Kurzarbeit und steht in engem Austausch mit der Arbeitsagentur. Sollte der Lieferstopp länger andauern, könnten bis zu 10.000 Beschäftigte vorübergehend in Kurzarbeit geschickt werden. Für die Region Wolfsburg wäre das ein spürbarer wirtschaftlicher Rückschlag.
Volkswagen betonte, man habe die Lieferketten nach der Pandemie zwar breiter aufgestellt, bleibe aber bei bestimmten Elektronikkomponenten von Nexperia abhängig. Besonders Steuergeräte, Sensoren und Kommunikationsmodule enthalten Chips dieses Herstellers. Eine kurzfristige Umstellung auf alternative Lieferanten gilt als schwierig, da die technischen Spezifikationen in modernen Fahrzeugen eng miteinander verknüpft sind. Der Konzern hofft nun auf diplomatische Lösungen zwischen den beteiligten Staaten, um die Situation zu entschärfen.
Auswirkungen auf die gesamte Autoindustrie
Nicht nur Volkswagen ist betroffen. Auch andere europäische Hersteller wie BMW, Mercedes-Benz und Stellantis beziehen indirekt Komponenten, in denen Nexperia-Chips verarbeitet sind. Der Verband der Europäischen Automobilhersteller (ACEA) warnte vor ernsthaften Folgen für die gesamte Branche. Besonders kritisch seien elektronische Systeme, die in modernen Fahrzeugen nahezu überall zum Einsatz kommen – von Airbags über Assistenzsysteme bis zur Motorsteuerung. Sollte sich die Versorgungslage weiter verschärfen, könnten sich Lieferzeiten für Neuwagen europaweit verlängern. Branchenanalysten rechnen bereits mit Produktionsverzögerungen im vierten Quartal 2025.
Für die Zulieferindustrie kommt der Konflikt in einer ohnehin schwierigen Phase. Viele Unternehmen kämpfen mit hohen Energiekosten und sinkender Nachfrage in den USA und China. Ein länger anhaltender Chipmangel könnte die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Hersteller weiter schwächen. Gleichzeitig steigen die Kosten für alternative Halbleiterprodukte, da Anbieter aus Südkorea und Taiwan ihre Preise erhöht haben.
Wirtschaftlicher Druck auf Volkswagen
Volkswagen steht bereits seit Monaten unter wirtschaftlichem Druck. Die Absatzahlen in China und den USA sind deutlich zurückgegangen, während der Wettbewerb mit Tesla und chinesischen E-Autoherstellern zunimmt. Auch der Umbau zur Elektromobilität belastet das Unternehmen finanziell. Der aktuelle Chipkonflikt kommt daher zur Unzeit und könnte die Erholung nach der Pandemie bremsen. Analysten warnen, dass ein längerer Stillstand die Jahresziele gefährden und das Vertrauen der Investoren schwächen könnte.
Trotz der angespannten Lage gibt sich das Management bemüht, Optimismus zu signalisieren. Man prüfe alle Optionen, um die Produktion aufrechtzuerhalten, und stehe in engem Austausch mit alternativen Zulieferern. Dennoch zeigt die Situation erneut, wie anfällig globale Lieferketten bleiben – und wie stark geopolitische Konflikte mittlerweile die Industrieproduktion in Europa beeinflussen können.
Der Streit um den chinesischen Chipkonzern Nexperia entwickelt sich zu einer ernsthaften Belastung für Volkswagen und die gesamte europäische Autoindustrie. Sollte keine schnelle Lösung gefunden werden, droht in Wolfsburg der erste Produktionsstopp seit Jahren. Die Abhängigkeit von asiatischen Halbleitern wird für die deutschen Hersteller erneut zur Achillesferse. Die EU fordert nun gemeinsame Strategien zur Sicherung kritischer Technologien – denn ohne stabile Chipversorgung steht die Mobilitätswende auf wackligen Beinen.
